UNTERSTÜTZER

Hubert Hüppe

PID heißt, Embryonen extrakorporal zu erzeugen, um sie nach genetischen Kriterien zu selektieren. Nur zur Ermöglichung der Selektion wird IVF bei in der Regel fortpflanzungsfähigen Patienten eingesetzt.

PID zielt darauf ab, die Geburt von Menschen mit bestimmten Anlagen zu verhindern, indem man unter einer Mehrzahl erzeugter IVF-Embryonen solche mit unerwünschten Anlagen identifiziert und verwirft. Letzteres wurde gelegentlich schon feinsinnig als ‚beiseite legen’ umschrieben - der Euphemismus enthüllt mehr, als er verschleiert.

Zunächst zeigen die seit Jahren von der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) dokumentierten Erfahrungen des Auslands, dass der Anwendungsbereich einer einmal zulässigen PID immer weiter ausgedehnt wird, bis hin zur Geschlechtsselektion als ‚social sexing’.

Zudem erfüllen, wenn ich die 2009 publizierten ESHRE-Daten richtig verstehe, IVF und PID nur einer Minderzahl Betroffener den Wunsch nach einem ‚gesunden’ Kind. Bei 168.633 für PID inseminierten Eizellen wurden nach PID 21.478 Embryonen transferiert, bei 3158 entstandenen Schwangerschaften wurden 31 Abtreibungen sowie 58 Fetozide zur Mehrlingsreduktionen durchgeführt, unter 2.287 geborenen Kindern wiesen 99 Kinder Mißbildungen auf (Lit.: V. Goossens et al., ESHRE PGD Consortium data collection IX: cycles from January to December 2006 with pregnancy follow-up to October 2007, Human Reproduction, Vol.24, No.8 pp. 1786–1810, 2009).

Vor allem: PID diskriminiert Menschen, die mit Behinderungen, Krankheiten oder Veranlagungen leben, die Grundlage und Selektionsmerkmal einer PID einschließlich ‚Verwerfen’ betroffener Embryonen sind. PID heißt letztlich, dass nach ‚lebenswert’ oder ‚lebensunwert’ selektiert wird.

Kann es einen abschließenden Katalog ‚besonders schwerwiegender’ Veranlagungen oder Behinderungen geben, wo PID ‚eng begrenzt’ zulässig wäre? Eine rechtlich - und wenn auch nur konditioniert - zulässige PID würde uns und diese Menschen jeden Tag damit konfrontieren, dass nicht nur ihre Existenz heutzutage dank PID vermeidbar wäre, sondern auch damit, dass die Vermeidung ihrer Existenz qua PID heute Konsens aller Demokraten wäre. Könnten die Betroffenen, könnten wir das aushalten, könnten wir das ethisch vertreten? Widerspricht das nicht allem, was wir zum Umgang mit Krankheit und Behinderung in den letzten Jahrzehnten dazugelernt und für richtig gehalten haben? Wollen wir dennoch einen solchen Weg einschlagen, und wenn: warum?

Die Antwort auf dieses ‚warum’ ist schuldig, wer heute für die Zulässigkeit der PID eintritt.

Es gibt etliche tragbare Alternativen zu PID, darunter die in Deutschland gut etablierte Polkörperdiagnostik (das Deutsche Ärzteblatt hatte berichtet), und damit ethisch gangbarere Wege als PID.

Der Gesetzgeber muss ein gesetzliches Verbot der PID aussprechen. Er hat zuletzt im Gendiagnostikgesetz geeignete Anknüpfungspunkte formuliert. Und er darf sich dabei nicht viel Zeit lassen, um Zweifel an seinen Grundüberzeugungen keinen Raum zu geben.

 

 

IM PORTRAIT

Hubert Hüppe

Hubert Hüppe, geboren 1956 in Lünen, ist Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und Schirmherr der Initiative www.stoppt-pid.de.