AUFGELESEN

PID höhlt „Symmetrie der Beziehungen“ aus

Manfred Spieker warnt davor, dass eine mögliche Zulassung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) „die Symmetrie der Beziehungen zwischen den Menschen“ als Grundlage der Demokratie zerstöre. In einem Interview mit dem Online-Magazin „Freie Welt“ (04.05.) bezeichnete Spieker die Trennlinie zwischen Zulassung und Verbot der PID als „sehr scharf“.

Demnach legalisiere der Bundestag bei Zulassung der PID „die Kennzeichnung und die tödliche Selektion von Embryonen“, die nach Meinung der Eltern oder der diagnostizierenden Mediziner nicht lebenswert seien. Ein Verbot der PID bedeute hingegen die Verwerfung der „Anmaßung, zwischen lebenswert und lebensunwert zu unterscheiden“ und die Anerkennung der gleichen Würde und des gleichen Lebensrechts eines jeden Menschen unabhängig von seinen Anlagen, seinen Fähigkeiten und seiner Lebenserwartung. „Wer den Weg in eine eugenische Gesellschaft ablehnt, muss sich für ein Verbot der PID entscheiden, wie es das Embryonenschutzgesetz von 1990 bereits getan hat“, mahnte der emeritierte Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück.

Eine Begrenzung der PID hält er für unrealistisch: Die beiden Gesetzestexte, die eine Zulassung der PID in engen Grenzen vorsehen, sprächen zunächst von einem Verbot der PID, um dann die Bedingungen für Ausnahmeregelungen zu nennen. Diese Ausnahmeregelungen, würden das Verbot der PID aber so unterlaufen, dass davon auf mittlere Frist nichts übrig bleibe. „Wir kennen das ja vom Abtreibungsstrafrecht: Der § 218 verbietet die Abtreibung und § 218a regelt die Ausnahmefälle, die sehr schnell dazu geführt haben, dass jede Abtreibung, die eine Schwangere aus welchen Gründen auch immer wünscht, möglich wurde. Vom Lebensschutz vor der Geburt blieb nichts mehr übrig. Aus dem Abtreibungsstrafrecht wurde ein Abtreibungsrecht“, argumentierte Spieker.

Der Gesetzgeber müsse sich immer fragen, welche Folgen seine Gesetze für die ganze Gesellschaft und die Rechtsordnung hätten. Er dürfe nicht nur die Eltern in den Blick nehmen, die die Last einer vererbbaren Krankheit oder einer Behinderung trügen, sondern auch die Kinder, die unabhängig von Krankheit, Lebenserwartung und Lebenstüchtigkeit „ein Recht auf Leben haben“, betonte der Osnabrücker Sozialethiker.

Eine mögliche Legalisierung der PID verstoße nicht nur gegen „die Menschenwürde, das Lebensrecht und das Diskriminierungsverbot Behinderter, also gegen die ersten drei Artikel des Grundgesetzes“, sondern höhle auch die „Grundlage einer demokratischen Gesellschaft, die auf die Symmetrie der Beziehungen zwischen den Menschen angewiesen ist“, aus. Symmetrie der Beziehungen bedeute, „dass alle Menschen einen gleich natürlichen Ursprung haben, dass also nicht die einen die Produzenten der anderen sind, und die anderen die Produkte jener, die sie nach ihrem Bild erzeugt haben“, so Spieker weiter.

Das vollständige Interview mit Prof. Dr. Manfred Spieker im Wortlaut finden Sie hier.